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Ein Jahr ohne Engadin... 

...ist kein gutes Jahr für mich!  Ich liebe diese Landschaft, und ich liebe es, sie mit den Pferden zu erwandern...

Dieses Jahr ist einiges anders gelaufen mit meinen Pferden, als ich geplant hatte. Aber nun habe ich's doch noch geschafft, wenigstens für drei Tage - das Jahr ist gerettet!

Mügi hat mir die Frage, ob ich sie mitnehmen wollte, ganz klar beantwortet: vor einer Woche hat sie Fieber gehabt, wie angeworfen, zwei Tage lang. So will ich sie auch als Handpferd nicht mitnehmen; nach ihrer schweren Erkrankung im Sommer scheint sie doch noch nicht sehr belastbar zu sein. So darf nur Diala mit.

Auf der Fahrt dorthin regnet es, wie schon den ganzen Tag. Wird es die versprochene Beruhigung an Freitag und das schöne Herbstwetter am Wochenende geben? ich habe wegen Stau auf der Autobahn den letzten Zug durch den Vereina-Tunnel verpasst, also fahre ich nun über den Flüela. Arme Diala - eine Stunde Passfahrt, statt zwanzig Minuten etwas Gerüttel im Zug... Oben schneit es ganz fein, und es ist erst halb zehn Uhr abends. Wie wird es morgen auf 2500m Höhe aussehen?

Am nächsten Morgen brechen wir zeitig auf. Zwei Araber, ein Haflinger im modernen Typ, und Diala.

Es liegt noch dicker Nebel, aber hier und da reisst er auf, und lässt einen Fetzen blauen Himmel sehen. Das versprochene, strahlende Herbstwetter stellt sich sogar noch einen Tag früher ein, als erwartet. Die Pferde sind frisch, und sobald sie warm sind, machen wir einen flottenTrab. 

 Von S-charl reiten wir über Funtauna da S-charl in Richtung Ofenpass. 

Diala hält sich tapfer, obwohl sie direkt vom Flachland kommt und eigentlich gar nicht akklimatisiert ist. Die beiden Schimmel sind kürzlich von einem vierwöchigen Karpatenritt zurückgekommen und top fit; entsprechend flott ist das Grundtempo.

Aber meine Begleiter nehmen Rücksicht, und warten auf uns, wo es besonders steil aufwärts geht. Hm, also, eigentlich warten sie ja auf mich, nicht auf uns. Diala ist zwar auch froh um die Atempausen, aber sie ist längst nicht so am Limit wie ich...  

Punkto Trittsicherheit kann sie aber problemlos mit den andern mithalten: diese Betontreppe am Ofenpass ist zwar ungewohnt, aber eigentlich wegen der Regelmässigkeit ihrer Stufen leichter zu bewältigen, als unregelmässiges Geröll. 

Nur hier, wo man anscheinend den Weg bereits zum Überwintern hereingenommen hat , kneife ich, und mache einen kleinen Umweg, der mir für meine Dicke sicherer scheint.

Ein Blüter kann sich problemlos durch einen Sprung retten, wenn unter ihm der Hang abrutscht.

Aber Diala, die zwar fleissig, aber keinesfalls schnell ist, wäre hier mit hoher Wahrscheinlichkeit mit abgerutscht. Ich denke nicht, dass sie schwere Verletzungen davongetragen hätte, die Runse ist nicht ganz senkrecht und ist nur etwa fünf, sechs Meter tief. Aber warum soll ich ihr Vertrauen auf's Spiel setzen, das mir garantiert, dass sie mir überall hin folgt? Sie motzt zwar etwas, weil sie auf unserm Umweg eine ansehnliche Steinstufe hochspringen muss, aber auch das schafft sie. Beim Hochklettern aus dem Bachbett scheint sie einen winzigen Augenblick das Übergewicht nach hinten zu bekommen, aber ich muss nur leicht mit dem Zügel dagegenhalten, damit sie sich wieder auffängt.   

Jimmy, der Haflinger, schafft die Querung problemlos. Aber er wiegt ja auch 150kg weniger als Diala...

Von da an ist der Weg leicht und ungefährlich.

wer hoch klettert, muss danach halt auch etwas länger abwärts wandern... aber das ist bei dem Prachtswetter völlig egal, ich geniesse jede Minute.

Die Natur hat überall praktische Aufsteighilfen bereitgestellt, sodass man problemlos mit lockerer Gurte reiten kann.

Da aber vom Abstieg ins Val Mora der Sattel doch verrutscht ist, sattle ich in der Mittagspause ab. Die Pferde geniessen die Sonne  - zu fressen hat es in dieser Jahreszeit leider nicht mehr allzu viel

P. hat ein traumhaftes Plätzchen für die Rast ausgewählt.

wir folgen dem Bach bis über die italienischen Grenze, ins Val Fraele. Mit dem gelben Vormerkschein des Zolls dürfen wir die Grenze ohne weitere Formalitäten zu Fuss überqueren. 

Die Pferde übernachten zu zweit in den mitgebrachten Paddocks. Jedenfalls war das unsere Absicht... Jimmy und Diala verstehen sich gut und fressen sogar das Kraftfutter Nase an Nase.

Beim letzten Umdecken für die Nacht will Jimmy seinem Chef folgen. Es sieht im Dunkeln den Zaundraht nicht, bekommt einen Schlag vom Viehhüter, springt nach vorne, reisst den Zaun des benachbarten Paddocks mit, und schon befinden sich alle Pferde im Galopp auf der Strasse, Richtung Heimat.

Wir machen uns keine grossen Sorgen, schliesslich ist die nächste befahrene Strasse die Ofenpassstrasse, etwa 20km weit weg. Unser Wirt springt ins Auto, und wir machen uns auf den Weg, um die Ausbrecher wieder einzufangen. Ein Haflinger und ein Freiberger dabei - das ist die Garantie, dass die Gruppe an der übernächsten Ecke anhalten und grasen wird. Wir hören keinen Hufschlag mehr, und irgendwann müssen wir uns sagen, dass die Pferde auch im Galopp in der Zeit gar nicht so weit gekommen sein können, wie wir gefahren sind.  Also suchen wir die Alpweiden entlang des Weges ab. Es ist noch fast Vollmond, und überall stehen Schimmel in der Landschaft, die sich als Schneeflecken entpuppen...

P. geht mit dem Wirt zurück und leiht sich den Roller aus; die andern beiden sind schon zu Fuss auf dem Weg zu unserem Mittags-Rastplatz. Ich stelle inzwischen die Paddocks wieder auf, damit wir die Pferde gleich wieder sicher versorgen können. Jimmy weiss ja jetzt, dass Strom auf dem Draht ist. Damit nicht noch einmal das gleiche passiert, schmücke ich den Draht alle paar Meter mit Fähnchen aus Toilettenpapier, die im Mondlicht hell leuchten.

Immer wieder horche ich in die Nacht: sie müssen auf dem Heimweg sein, ich höre von ferne das Echo der Hufe an den Felswänden. Aber Stunde um Stunde vergeht - keine Pferde. Irgendwann höre ich einen Hirsch röhren, das ist alles. Nach einer Stunde fährt der Wirt, wie abgemacht, zur Grenze, um die beiden Fussgänger abzuholen; P. will das ranghöchste Pferd mit dem Roller nach Hause führen, die andern werden ihm folgen. Weitere 2 Stunden vergehen, der Wirt kommt zurück. Eine Stunde hat er gewartet, und sich dann auch noch selber auf die Suche gemacht. Hier in den Bergen geht kein Natel, und sowohl Pferde wie Reiter sind verschollen.

Langsam wird es kalt, der Rauhreif glitzert im Mondlicht - eine wunderschöne Nacht, wenn man andere Gründe gehabt hätte, draussen zu sein! Ich ziehe mich ins ungeheizte Haus zurück, gehe immer wieder hinaus um zu horchen. Irgendwann kommt der Wirt: er hat einen Anruf bekommen, man habe ein Pferd gefunden. Mehr kann er mir nicht sagen. Inzwischen ist es zwei Uhr...

Warum nur ein Pferd? sind die andern auf dem schmalen Weg dem Bach entlang abgestürzt, oder liegen ganz woanders im Abgrund? Warum ist die Herde nicht beisammengeblieben? Wo sind meine Kameraden? Nachts hat man ganz andere Phantasien als am Tag...

Es ist kein gemütliches Warten... ohne Fahrzeug hat es auch absolut keinen Sinn, dass ich auch noch hinaus gehe. Ich nicke dann doch irgendwann ein, und erwache vom Kläffen des Hundes. Hat jemand geklopft? ich versuche, wach zu werden - wie war das noch, linker Fuss in den linken Schuh - oder ist das der Rechte? Ich öffne die Tür, und vor mir steht S., den Kopf gesenkt, die Schultern hochgezogen, offensichtlich völlig durchfroren. Traurig schaut er mich an, ohne ein Wort. Und da sehe ich in der Dunkelheit hinter ihm Dialas Blesse...

Überglücklich nehme ich ihm das Pferd ab und bringe es auf die Weide. Diala ist offensichtlich völlig erschöpft. Sie ist klatschnass gute 10km von hier gefunden worden, und S. hat sie 3 Stunden lang hinter sich her gezogen... Aber auch S.ist total auf den Felgen, seine kaputten Gelenke schmerzen, und er ist wohl nur knapp um Frostbeulen herumgekommen. Seine Hoffnung, sich in die geheizte Gaststube zu setzen, war auch vergeblich - das Haus ist abgeschlossen. So macht er sich wenigstens einen Kaffee auf seinem Feldkocher, um wieder aufzutauen.

Ich bringe Diala Kraftfutter, damit sie auch wieder etwas wärmer wird. Sie frisst - immerhin.... aber die Ohren sind immer noch eiskalt. Schlecht für die überanstrengte Muskulatur, wenn sie wegen der Kälte auch noch schlecht durchblutet bleibt. Nur die Regendecke aufzulegen wäre wenig hilfreich - Diala wird unter dem Plastik trotz der Kälte noch nachschwitzen und dann klatschnass in der frostigen Nacht stehen. So bleibt mir nur die Möglichkeit, meinen Schlafsack zu opfern, und sie damit zuzudecken.

Bis zum Morgen hat sie keinen einzigen Fuss bewegt, aber sie ist wenigstens trocken und warm. Der Wirt sagt mir, P. hätte um drei Uhr nochmals angerufen, seither hat er nichts mehr gehört. Es ist halb acht - ich rufe in unserem letzten Stall an und bitte M., die Polizei und die Zollstelle zu informieren. Zehn Minuten später kommt sein Rückruf: man habe nachts um eins die Pferde in Sta. Maria gesehen und einzufangen versucht, sie aber dann gehen lassen, weil sie in Richtung Grenze flohen. Bis dahin schienen sie unverletzt. Gottseidank... Die drei sind durch das ganze Val Mora getrabt und galoppiert, und haben das Münstertal in einer unglaublichen Zeit erreicht. Insgesamt haben sie an diesem Tag etwa 80 km zurückgelegt. Diala muss sie schon bald verloren haben, weil sie das Tempo nicht mithalten konnte, und ist dann resigniert stehen geblieben.

Um halb neun konnte man die Pferde dann wirklich einfangen, und in einem Stall unterbringen. Nun fehlen nur noch die Reiter... Etwa eine Stunde später hören wir von weitem das Tuckern des Rollers, und die zwei Vermissten kommen in Sichtweite. Sie wissen noch nicht, dass man die Pferde gefunden hat, denn P. konnte die Combox nicht abhören.  Sie sind die ganze Nacht in Bewegung geblieben, um nicht zu erfrieren, und haben die Gegend kreuz und quer abgesucht, damit die Pferde nicht auf der Ofenpassstrasse in den Morgenverkehr gerieten! 

M. hat für uns einen Chauffeur organisiert, der uns abholen kommt. Mit einem Pferd, vier Sätteln und vier mal Vollpackung ist es nicht wirklich realistisch, zurück zu wandern. Aber ich staune nicht schlecht, als ich erfahre, dass der Chauffeur mehr als drei Stunden zu uns haben wird... er muss einen riesigen Umweg machen, wo wir mit den Pferden halbwegs der Himmelsrichtung folgen konnten. So kommt Diala in den Genuss, nach dem Flüela noch über drei weitere Pässe geschaukelt zu werden: Umbrail, Stelvio, Ofenpass... Aber der Chauffeur fährt vorbildlich, und Diala kommt zusammen mit dem Haflinger, den wir unterwegs aufladen, absolut trocken an.

Schade, es wäre ein weiterer Tag mit herrlichem Wetter gewesen... aber wir sind nur froh, dass alle Pferde heil geblieben sind, und wir geniessen sehr bald die weichen Betten in beheizten Zimmern.

Am nächsten Tag mache ich mit Diala nur einen Spazierritt in leichtem Gelände. Zwar wirkt sie am Morgen recht erholt, am Blick sieht man ihr ihre nächtliche Monsterleistung nicht mehr an. Aber beim Versuch zu traben sind ihre Bewegungen noch sehr holzig. Sie ist ja immerhin sechzehn und hat nicht mehr ganz taufrische Gelenke, hat in ihrem früheren Leben auch schon einiges geleistet... 

Im Val Susauna, in das ich gerne jeweils am ersten Tag zum Akklimatisieren gehe, ist der Indian Summer in seiner vollen Pracht.  Das ganze Tal ist mit Gold übergossen; ich habe die Engadiner Herbstfarben schon lange nicht mehr so schön erlebt.

Wir machen hinten, bevor der Weg zu steigen anfängt, eine lange Mttagsrast.

...oder besser gesagt: Diala macht Rast, Askja beschäftigt mich zwei Stunden lang...

 

 

 

 

 

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